Am Dienstag, dem 24. September, waren Zenzl und Erich Mühsam wieder in der Hufeisensiedlung gegenwärtig.
Die Begegnung mit ihnen begann am Nachmittag bei einem Rundgang durch die Hufeisensiedlung, an dem neben Rita Steininger weitere Mitglieder der Gustav-Landauer-Initiative beteiligt waren.
Neben einem Überblick über die Geschichte der Siedlung wurde das ehemalige Wohnhaus der Mühsams sowie weitere Örtlichkeiten besucht, die mit dem Schicksal der beiden Mühsams während ihrer Britzer Zeit in engem Zusammenhang standen.
Nach dem ca. zweistündigen Rundgang ging es dann zur Lesung in den Gemeinschaftsraum des Diakoniehauses Britz.
In dem vollbesetzen Saal las dann Rita Steininger aus ihrem jüngst erschienenen Buch über die beiden Mühsams.
Letzteres ist wörtlich zu nehmen, denn im Gegensatz zu der großen Mehrheit der Mühsam-Biographien hat die Autorin Wert darauf gelegt, Zenzl Mühsam nicht nur als ein notweniges Beiwerk des großen Dichters beiläufig zu erwähnen, sondern sie hat der Frau ihren gebührenden Platz in der Lebensgeschichte des Ehepaars eingeräumt.
Das beginnt bereits mit Zenzls Lebensgeschichte vor ihrer Begegnung mit Erich Mühsam.
In sorgfältiger Kleinarbeit hat Rita Steininger hier Forschungsarbeit betrieben, um aus vielen kleinen Einzelinformationen diesen Lebensabschnitt der Kreszentia Elfinger (spätere Mühsam) zu ergründen.
Neben diesem Kapitel setzte Rita Steininger zwei weitere Lebensabschnitte in den Mittelpunkt ihrer Lesung.
Zum einen ging es um die Rolle der Mühsams während der Münchener Räterepublik und zum anderen um den Kampf Zenzl Mühsams für den Erhalt und die Veröffentlichung des Nachlasses ihres Mannes.
Eindringlich ging aus der Schilderung hervor, mit welchen Leiden in der stalinistischen Sowjetunion dieser Kampf ausgefochten wurde.
Am Ende ihres Lebens schien dieser Kampf denn auch verloren.
Zwar durfte sie im Juni 1955 die Sowjetunion verlassen und in die DDR übersiedeln, doch die Verfügung über den Nachlass des Antifaschisten Erich Mühsam blieb ihr verschlossen.
Doch nichts bleibt wie es ist: Noch vor ihrem Tod im Jahre 1962 wurde in der DDR eine Gedichtauswahl des jüdischen Anarchisten herausgegeben.
Es folgten die Unpolitischen Erinnerungen.
Allerdings erlebte Zenzl nicht mehr, wie Erich Mühsam 1974 in die auf 12 Bände angelegte Geschichte der deutschen Literatur recht ausführlich Eingang fand und schließlich 1978 eine umfangreiche zweibändige Werkauswahl von Christlieb Hirte im Verlag Volk und Wissen herausgegeben wurde, die einige Jahre später um einen weiteren Band ergänzt wurde.
Mittlerweile gibt es auch die von Zenzl Mühsam geretteten Tagebücher der Jahre 1910 bis 1924 unter Auslassung der bisher immer noch verschwundenen Aufzeichnungen aus der Zeit von Ende Oktober 1916 bis Anfang April 1919.
Und dank der Gustav-Landauer-Initiative sind nun auch die Kalendernotizen von Erich Mühsam aus den Jahren 1926 bis 1933 (soweit sie in den Archiven vorhanden sind) wieder für die Öffentlichkeit zugänglich.
Von dieser Warte aus ist es nicht aussichtlos, dass der Kampf um den Nachlass und seiner Veröffentlichung im Nachhinein noch zugunsten von Zenzl Mühsam entschieden wird.
Der Abend hat gezeigt, dass es literarisch und personengeschichtlich an Erich und Zenzl Mühsam noch vieles zu entdecken gibt.
Dafür herzlichen Dank an Rita Steininger.